Leseprobe Kreuzfahrt Roman Band 1 - `Aus lauter Liebe´
Grafik: Dietmar Lampe,
Foto: Tom Wagner
Diese Frau war wirklich verzweifelt, sie zitterte am ganzen Körper, Tränen rollten unaufhörlich über ihre Wangen. Diana war ratlos, was sollte sie sagen?
"Ich kann nicht mehr, und ganz ehrlich gesagt, ich will auch nicht mehr! Der Tod meines Mannes hat mein Leben zerstört, ich bin nicht mehr die, die ich früher einmal war.
Ich hab mich zu einem zickigen, alten Drachen entwickelt. Früher war ich immer gutgelaunt, egal, wie es mir auch körperlich ging, und heute verlier ich bei jedem kleinen Zwischenfall die Nerven."
Zum ersten Mal schaute sie Diana an und fragte wieder:
"Warum?"
"Ich kann es Ihnen nicht sagen, aber vielleicht war Ihre Zeit einfach noch nicht abgelaufen. Vielleicht gibt es irgendetwas, was Sie auf dieser Welt noch tun müssen. Haben Sie Enkel?"
"Enkel?"
"Ja, Enkel, die Sie vielleicht noch brauchen. Es ist sehr wichtig eine Großmutter zu haben!""Ach, die interessieren sich nicht für mich, die sind schon erwachsen, die können sehr wohl ohne mich auskommen. Außerdem habe ich schon seit 2 Jahren nicht mehr mit ihnen gesprochen,
ich wollte niemand sehen, gar niemanden. Die wissen sicher nicht mal, ob es mich noch gibt oder nicht. Außerdem muss ich gestehen, war ich auch nicht sonderlich nett zu ihnen. Kein Wunder,
wenn die sich nicht um mich kümmern."
"Vielleicht sollten Sie Ihre Kinder und Enkel einmal anrufen oder besuchen?"
"Hören Sie, Sie müssten genau wissen, wie ich sein kann, Sie haben mir am ersten Abend geholfen meine Kabine zu finden, waren so nett zu mir, und mein Dank?
Schon am nächsten Tag hab ich Sie ziemlich abfällig behandelt, und wieder und wieder...!
Glauben Sie, meine Kinder oder Enkel würden mir meine Ausbrüche verzeihen?"
"Es sind Ihre Kinder, natürlich werden sie!"
Diana hatte das Gefühl, die Dame war etwas von ihrer Selbstmordidee abgerückt,
sicher allerdings war sie sich da nicht, denn sie hielt diese Frau für sehr intelligent. Vielleicht ging sie nur auf das Gespräch ein, damit Diana sie so bald wie möglich alleine ließ, und sie dann ungestört ihren Plan in die Tat umsetzen konnte.
Also beschloss Diana, die Dame irgendwie ins Schiffsinnere zu lotsen und dann den Arzt zu benachrichtigen. Allein lassen konnte und wollte sie diesen Menschen auf jeden Fall nicht.
"Ich heiße übrigens Eleonore Tannenhof. Sie können mich Eleonore nennen und Sie brauchen sich jetzt auch nicht irgendeine Taktik auszudenken, um mich zum Arzt zu bringen.
Ich weiß, dass Sie es vorhaben und auch tun müssen. Deshalb komme ich freiwillig mit, wenn Sie einverstanden sind."
Diana war mehr als überrascht, aber auch erleichtert, denn diese Wende ersparte so einiges. Also gingen sie beide, Eleonore bei ihr untergehakt, direkt zum Schiffsarzt.
Dr. Peters hatte noch nicht geschlafen, und es wunderte ihn auch nicht, dass Diana mit einer älteren Dame im Schlepptau mitten in der Nacht aufkreuzte. Heute war ein zu ruhiger Tag gewesen,
und daher hatte er schon einen nächtlichen Zwischenfall oder Notruf erwartet. Nachdem die beiden ihm offen und direkt erzählt hatten, was in den letzten 30 Minuten auf dem Außendeck vorgefallen war,
war er doch überrascht, denn mit so einem Problem und dessen Ausgang hatte er nicht gerechnet. Das übertraf seine Erfahrung.
Er behielt Eleonore bei sich auf der Krankenstation und entließ Diana aus ihrer Verantwortung. Diana versprach Eleonore, morgens nach ihr zu sehen, und verabschiedete sich. Eleonore wirkte ruhig,
sehr ruhig, vielleicht sogar bedrohlich ruhig, aber eventuell waren es auch Dianas Befürchtungen, die keine Ahnungen sein mussten. Aber wer wusste das schon, so richtig überzeugt war Diana nicht.
Diana war endlich auf dem Sonnendeck angekommen und starrte in den Sternenhimmel. Die Erlebnisse des heutigen Tages machten ihr doch sehr zu schaffen. Sie selbst würde nie einen Mann finden,
mit dem sie gemeinsam sterben wollte. Irgendetwas machte sie wohl falsch. Tausend Gedanken schossen ihr durch den Kopf, aber sie konnte keinen so richtig zu Ende denken.
Sie starrte einfach nur ins Universum und hörte nicht, dass sich jemand leise näherte.
"Diana, ich wusste doch, dass ich Dich hier finden würde."
Diana zuckte zusammen und drehte sich um, da stand Jürgen und sah sie eindringlich an. Er nahm sie in die Arme und flüsterte:
"Ganz ruhig, ich weiß, wie es Dir geht! Aber vergiss nicht, Du bist nicht allein!"
Das auch noch, dachte Diana. Sie hatte absolut keine Lust, ihm jetzt noch zu erklären, dass sie ihn nicht wirklich liebte. Sie hatte keine Kraft mehr, also ließ sie seine Umarmung geschehen,
als sei alles wie gehabt. Außerdem war seine Nähe tatsächlich sehr beruhigend und sie entschied, ihm am nächsten Tag alles zu sagen.
Aus: `Aus lauter Liebe´ Erstausgabe